Kopfnuss bei Kirmes bringt Knast ein
Angeklagter aus rechter Szene zu acht Monaten Freiheitsstrafe verurteilt

aus: Waldeckische Landeszeitung vom 2. März 2005


Bad Arolsen (ah). Der Angeklagte hatte so viel schon auf dem Kerbholz, dass er sich mit einer Kopfnuss bei der Twister Kirmes im vorigen September vermutlich selbst ins Gefängnis brachte: Das Amtsgericht Bad Arolsen verurteilte den 30-Jährigen aus Wethen gestern wegen Körperverletzung, Nötigung, Beleidigung und Sachbeschädigung zu acht Monaten ohne Bewährung.

Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der aus Norddeutschland stammende Angeklagte, der der rechten Szene zugeordnet wird, einem 47-Jährigen bei der Kirmes in Twiste eine Kopfnuss verpasst hatte, durch die der Twister einen Bluterguss am linken Augenlid erlitt und die Brille zu Bruch ging. Dann hatte der Angeklagte nach Auffassung des Gerichts gedroht: "Ich weiß genau, wo du und deine Familie wohnen, wenn du etwas unternimmst."

Duzen schon Beleidigung
Vorausgegangen war eine Auseinandersetzung zwischen dem Twister und seinem betrunkenen Schwager, der im gleichen Haus wie der Angeklagte wohnt. Dieser Streit war, wie der Bruder des Angeklagten bezeugte, nicht so gravierend. Keinen Glauben schenkte das Gericht der Erklärung des 30-jährigen Wetheners, er habe seinem Bekannten gegen den 47-jährigen helfen wollen und dieser sei dabei zu Fall gekommen.
Der Angeklagte sprach den Twister an, duzte, bedrohte und verletzte ihn, wie das Gericht erkannte. Zuvor hatte der Vertreter der Staatsanwaltschaft darauf hingewiesen, dass bereits das Duzen ohne gegenseitiges Einvernehmen strafrechtlich als Beleidigung gelte. Aber keine Staatsanwaltschaft in Deutschland werde wohl so ein Verhalten verfolgen. Der Anklagevertreter hatte ebenfalls wegen des umfangreichen Vorstrafenregisters auf acht Monate Freiheitsstrafe ohne Bewährung plädiert.

Ums Leben gekommen
Der 30-Jährige war unter anderem wegen Körperverletzung mit Todesfolge verurteilt worden. Er hatte einen Obdachlosen in Bad Segeberg so schwer misshandelt, dass er den Verletzungen erlag. Zuletzt hatte der Angeklagte am 28. Juli 2004 einen Bescheid vom Amtsgericht Warburg über eine gesamte Bewährungsstrafe von vier Monaten zugestellt bekommen. Dieser habe am 3. September Rechtskraft erlangt und hätte den Angeklagten zur Besinnung bringen müssen, erklärte Richter Karl-Heinz Kalhöfer-Köchling gestern zur Begründung seines Urteils.
Jedoch sei der Angeklagte während der Bewährungsfrist wieder strafrechtlich in Erscheinung getreten. Noch im Mai 2004 habe das Amtsgericht in Bad Segeberg eine Strafe wegen Sachbeschädigung verhängt. Es bestehe eine große Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Angeklagte wieder Straftaten begehe. Daher komme eine Bewährung nicht in Frage. Der Strafrahmen erstreckt sich nach Auskunft des Richters in diesem Fall auf bis zu fünf Jahre Freiheitsstrafe.
Der als Zeuge geladene 47-Jährige hatte erklärt, dass am letzten Tag des Festes bei der sogenannten "Kirmes-Beerdigung" der Angeklagte mit weiteren Personen in der Halle Besucher angepöbelt hätte und Speichel auf Brillen geschmiert worden sei. Auch der Twistetaler Bürgermeister habe sich in der gut besuchten Halle aufgehalten.
Ein Augenarzt bescheinigte das Hämatom und eine leichte Beeinträchtigung der Sehschärfe. Der Twister war für eine Woche krankgeschrieben worden. Die Rechnung über 105 Euro für die Reparatur der Brille hatte er selbst bezahlt: "Ich habe den Angeklagten nicht darauf angesprochen, eine Zivilklage hätte nichts gebracht." Er hätte den Angeklagten doch selbst zum Zahlen auffordern können, erklärte der Vertreter der Staatsanwaltschaft erstaunt.

Bedrohung
Aus einem neuen Vermerk in der Vermittlungsakte geht hervor, dass der 47-Jährige bedroht worden sei. Auf Befragen des Anklagevertreters erklärte der Zeuge jedoch, dass seit dem Vorfall in der Halle in Twiste keine neue Bedrohung ausgesprochen worden sei.
Im Verlauf der Vernehmung sah sich der Vertreter der Anklage gezwungen, den als Zeugen auftretenden Schwager des angegriffenen Twisters auf die Konsequenzen einer falschen Aussage oder gar eines Meineids hinzuweisen: "Das bringt Ihnen eine höhere Strafe als dem Angeklagten ein."

Weiteres Verfahren
Möglicherweise kommt für den gestern verurteilten Wethener, der mit einer Frau, einem zwei- und einem vierjährigen Kind zusammenlebt, noch mehr hinzu. Zurzeit ist noch ein Verfahren gegen ihn wegen Beleidigung und Nötigung türkischer Frauen in Wethen anhängig.
Insgesamt 14 Einträge im Zentralregister zählte Richter Kalhöfer-Köchling vor der gestrigen Urteilsverkündung auf. Unter anderem wurde er 1993 vom Landgericht Kiel wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu drei Jahren und sechs Monaten Gefängnis verurteilt. Sechs Jahre später bekam er in Neumünster wegen gemeinschaftlicher schwerer Körperverletzung ein Jahr und sechs Monate Freiheitsstrafe.

Volksverhetzung
Darüber hinaus wurde er wegen Volksverhetzung und Störung der Totenruhe, mehrfach wegen Verstößen gegen das Waffengesetz, wegen Diebstahls, Hehlerei, wegen Fahrens ohne Führerschein in Verbindung mit Trunkenheit sowie wegen Sachbeschädigung verurteilt.
"Ich habe nichts mehr zu sagen", erklärte der Angeklagte gestern nach dem Plädoyer des Anklagevertreters. Der 30-Jährige war ohne Verteidiger vor Gericht erschienen. Ob er Rechtsmittel gegen das Urteil einlegen werde, wisse er noch nicht, erklärte er gestern. Die Frist läuft bis nächste Woche.


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